Vorwort
Es gibt die weitverbreitete Meinung, dass die deutsche Sprache schwer ist. Darüber hinaus, wenn man weiter spricht, verbindet man sie nicht so oft mit Gedichten, Musikalität oder Kreativität, wie ich erwartet hätte.
Man vergleicht sie mit anderen Sprachen, spricht abgehackt, um witzig zu sein und betont wie viel schöner und einfacher die anderen Sprachen sind, so als ob es für Eltern möglich wäre, ein Kind dem anderen vorzuziehen.
In diesem Artikel geht es um meine Verbindung mit der Deutschen Sprache und um die Frage: “Muss das Lernen einfach sein?”
Teil I
“Im Anfang war das Wort” (Evangelium nach Johannes)
Wenn ich total isoliert von der Welt der Sprache wäre, würde meine Seele verkümmern und mein Verstand mich langsam umbringen. Die Leute, die Selbstgespräche auf der Straße führen, möchten wahrscheinlich, so wie ich, mit der Welt verbunden werden. Der Gebrauch der Wörter bietet uns die Gelegenheit uns auszudrücken. Offensichtlich spielen Wörter eine große Rolle im Leben. Wenn ich mit Leuten spreche, dann muss das unverfälscht sein, das heißt, dass das was ich sage auch das sein muss, was ich meine.
“Verloren sei uns der Tag, wo nicht ein Mal getanzt wurde!”, sagte Friedrich Nietzsche. Mit seiner Erlaubnis würde ich sagen: “Verloren sei uns der Tag, wo nicht ein Mal ein Wort mitgeteilt wurde!”. Ich bin allerdings nicht sicher, ob er damit einverstanden wäre.
Im Allgemeinen kann ein Erwachsener eine Erfahrung beschreiben, Witze erzählen oder mit seiner Meinung Leute beeindrucken; ein Nachzügler in einer Sprache würde dies gerne machen, allerdings passiert es genau umgekehrt: Die Unwägbarkeiten des Neuen bedrohen seine Sicherheit, er sagt weniger und am Anfang versteht ihn keiner. Als ich in Deutschland ankam, konnte ich mich nicht richtig ausdrücken und ich habe diese Erfahrung gemacht.
Wir alle träumen von einem neuen Anfang, trotzdem geben viele auf bevor sie anfangen, wegen der Angst zu scheitern. Trotz dieser Angst hatte ich keine andere Möglichkeit als zu versuchen, Deutsch zu lernen, wollte ich weder isoliert werden noch Selbstgespräche führen. Jede dieser Varianten wäre eine Katastrophe gewesen.
Ängstlich ging ich hin und her und fand eine Schule, die jedoch leider keinen freien Platz mehr hatte und so musste ich ein paar Monate warten. Für einen Menschen, der Hunger auf Wörter hat, sind ein paar Monate eine Ewigkeit.
Es musste eine andere Lösung geben, dachte ich, während ich durch die Stadt lief und ein Café fand, wo ich lebendige Wörter hören konnte. Im Café, in dem ich war, sagten mir die Leute, dass die Deutschen reserviert seien und die Sprache schwer sei. Ich hatte aber das Glück, dass die Reservierten nicht in dieses Café kamen, oder sie wohnen nicht im Ruhrgebiet.
Das Café war wie eine Schule und jeden Tag ging ich dorthin. Ungefähr zwei Montate nach meinem Umzug, war in diesem Café eine junge Frau, die allein und konzentriert schrieb. Ich saß neben ihr und fing an zu schreiben, jedoch achtete ich auf alles. Sie guckte mich an und lächelte, ich erwiderte das Lächeln. Johana schrieb ein Gedicht, das Herbst heißt. Ich konnte nur die erste Zeile verstehen. “Die Sonne küsst sachte die Steine...“. Eine 20-jährige Dichterin, die portuguiesisch lernen wollte. Was für ein Schatz, lebendig und vom Leben begeistert! Eine Woche später stellte Johana mich ihrer besten Freundin vor: Sulamith, die Schauspielerin werden wollte. Nun hatte ich zwei Lehrerinnen, die gerne interkulturelle Kenntnisse austauschten. Überraschend für mich waren ihre Fähigkeit in so einem jungen Alter. Obwohl ich viel älter als sie war, hatten wir Gemeinsamkeiten und wir sprachen und lachten viel zusammen. Neun Monate später fuhren sie weg, um ihr Studium in Berlin und in Zürich anzufangen. Nichts ist vollkommen.
Ich muss hinzufügen, dass meine Verbindung mit der deutschen Sprache anfing, bevor ich nach Deutschland umzog. Ich begann mit einem östereichischen alten Lehrer, der nicht gut sehen konnte, deutsch zu lesen. Ich las Bücher auf deutsch vor, obwohl ich kein deutsch konnte. So wurde mir die deutsche Literatur vorgestellt, bevor ich deutsch verstehen konnte. Von Zeit zu Zeit während ich vorlas, unterbrach er: “Stopp! Du musst auf die Pausen achten.” Er stand auf, um nach einer CD zu suchen und fand ein paar, brachte eine kleine Stereoanlage und eine CD, und während des restlichen Unterrichts war die 31. Sonate von Beethoven zu hören. “Die Pause ist wichtig”, betontet er. Er dachte, dass man deutsch nicht lernen konnte, ohne klassische Musik zu hören. Als ich den Zauberberg vorlas, hörten wir häufig die Oper Tristan und Isolde, weil darüber in diesem Buch geschrieben wurde.
An einem anderen Tag unterbrach er die Lesung und erklärte, in meiner Muttersprache den Dativ, den Akkusativ oder ein trennbares Verb in einem Satz, der ihm gefiel. Die Wörter, die getrennt oder nebeneinander eine neue Bedeutung haben, waren seine Lieblingswörter. An das erste Beispiel erinnere ich mich:
“Eifersucht ist eine Leidenschaft
die mit Eifer sucht
was Leiden schafft.” (Franz Grillparzer)
Meinem Lehrer gefielen auch Witze, so wie dieser über einen Anwalt:
“In der Nacht
habe ich über Ihren Fall nachgedacht.
200 Mark.”
Als ich anfing mich über die trennbaren Verben und Deklinationen zu beschweren, stellte er mir die Geschichte “Der Prozess um des Esels Schatten” von Christoph Martin Wieland vor.
Die Geschichte handelt von einem Zahnarzt, der für eine Reise einen Esel für einen Tag mietet. Als er sich in den Schatten des Esels zur Ruhe legt, fordert der Besitzer, der ihn begleitet, für den Schatten eine weitere Miete. Sie können sich nicht einigen und gehen vor Gericht. Mit den Anwälten wurde der Fall größer und sie wollten mehr Honorar. Am Ende sind fast alle Einwohner der Stadt an dem dramatischen Fall beteiligt.
“Verstehst Du? Kleinigkeiten können eine Katastrophe werden. Die Sprachen sind einzigartig wegen ihrer Besonderheiten. Sie sind das Motiv, eine Sprache zu lernen. Darum darf man nicht die Eigentümlichkeiten der Sprache in Schwierigkeit verwandeln, sonst wäre es eine Katastrophe”, übertrieb mein Lehrer.
Bis zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich in Deutschland wohnen würde. Eines Tages fragte der Lehrer während des Vorlesens des Faust, wofür ich meine Seele verkaufen würde. Damals redete ich mich heraus, und sagte, dass ich darüber nachdenken müsste und die Frage wurde nie beantwortet. Heute wenn ich mich daran erinnere, hätte ich sagen sollen, dass ich nie aufhören sollte, deutsch zu lernen.
Meine Verbindung mit der deutschen Sprache dauerte bis zum Tod meines Lehrers. Wenn ich daran denke, dass ich fließend Deutsch hätte sprechen können, wenn ich es weiter gelernt hätte, fühle ich ein großes Bedauern. Das will ich nicht mehr.
Wie doch die Zeit vergeht! Seitdem sind zehn Jahre vergangen und im August 2012 musste ich aufgrund der Arbeit meines Mannes nach Deutschland umziehen. Es war an der Zeit Grammatik zu lernen und die Verbindung mit der deutschen Sprache wieder herzustellen.
Obrigada cara amiga Silvia! Eu tenho saudade de voce e de nosso encorntrades en Café Rösterei e de nosso cafe d amanha!! beijo, Johanna
ResponderExcluirLiebe Johanna,
Excluirich bin stolz auf dein portugiesisch! Ich vermisse dich und unser Leben ohne Stress und Eile! Liebe Grüße, Silvia
Liebe Silvia, so schön, lebendig und interessant :) ich bin mit dir völlig einverstanden. Man muss mehr lesen, Musik hören und Gespräche führen um eine Sprache zu lernen :) Außerdem klingt Deutsch, für mich zum Beispiel, musikalisch und wunderbar.
ResponderExcluirLiebe Natalia, vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich darüber! Liebe Grüße, Silvia
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